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Baubeschreibung

Architektur- und Umwelthaus Wenzelsgasse 9

Bei dem Gebäude Wenzelsgasse 9 (ca. 17,00 m x 10,50 m) handelt es sich um ein zweigeschossiges, siebenachsiges Barockhaus (erste Hälfte 18. Jh.) mit Tympanon bekröntem Mittelrisalit und Mansarddach, das sich in einem sehr maroden Zustand befand. Die Rückfassade war größtenteils eingestürzt und die Decken komplett schwammverseucht.

Bevor 2010 alle Nebengebäude bis auf das Erdgeschoss des westlichen Seitengebäudes abgebrochen wurden, musste das Vorderhaus gesichert werden. Dazu wurden in allen Geschossen umfangreiche Abstützungsmaßnahmen notwendig, um eine weitere Schwächung der Konstruktion durch die Abbrüche zu verhindern und eine Begehbarkeit des Gebäudes zu gewährleisten. Unter allen Decken, Unterzügen und Dachstuhlteilen wurden gemäß einem statischen Konzept Drehstützen, Verschwertungen, Rückverankerungen, Seilabspannungen und Deckenplatten angeordnet. Ein freistehendes Schutzdach verhinderte während der gesamten 2-jährigen Bauzeit einen weiteren Eintritt von Regenwasser ins Gebäude. Der Seitenflügel wurde mit einem provisorischen Holzdach abgedeckt.

Erst nach einer detaillierten Bestandsaufnahme und diversen Voruntersuchungen konnte eine fundierte Sanierungskonzeption mit Aussagen zum Erhaltungszustand aller Bauteile erfolgen. Die Straßenfassade und die Rückfassade konnten saniert werden, während beide Giebelwände zum Teil erneuert werden mussten.

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Der Originaldachstuhl von 1716 befand sich erfreulicherweise in einem sanierungsfähigen Zustand, so dass alle Sparren lediglich Stahlprothesen im Fußbereich benötigten und zusätzliche Stahlträger die Dachkonstruktion verstärken mussten. Beide Holzdecken waren dagegen akut und vollflächig mit dem „Echten Hausschwamm“ befallen und mussten durch Stahlbetondecken ersetzt werden. Der Fußboden im EG war ebenfalls gegen einen neuen massiven Fußbodenaufbau auszutauschen. Die Holztreppe wurde durch eine Treppe aus Stahlblech ersetzt.

Die vorhandene Raumstruktur mit Durchfahrt, Treppenanordnung und Kellerzugängen im EG sowie drei großen Räumen entlang der Straßenfront im OG sollten besonders erlebbar bleiben. Die Fachwerkinnenwände wurden daher an gleicher Stelle durch Massivwände ersetzt.  

Die Gebäudesanierung wurde, einem Architektur- und Umwelthaus angemessen, besonders nachhaltig und ressourcenschonend konzipiert. Dabei wurde besonders auf die Ablesbarkeit der baulichen Veränderungen Wert gelegt. Es blieben z.B. frühere Eingriffe in die Straßenfassade wie der Einbau von Garagentoren zur Belichtung der Caferäume erhalten. Die übrige Fassade wurde nach restauratorischen Befunduntersuchungen durch das Landesamt für Denkmalpflege restauriert. Auch das mehrfach vorspringende Traufgesims wurde behutsam abgetragen und mit Schablone und Putzzug wiederhergestellt. Auffällig und als neue Bau-Elemente gut erkennbar sind die Stahlfenster, die sich durch sehr filigrane Profile auszeichnen. Bei der Hoffassade waren neben den früheren Eingriffen bereits großflächige Abbrüche zu verzeichnen. Um diesen Zustand zu konservieren und sichtbar zu lassen, wurde davor eine Glasfassade errichtet, die den Hofbereich ästhetisch aufwertet und gleichzeitig das Energiekonzept durch warme Luft aus dem Glaszwischenraum in der Übergangszeit ergänzt.

Mit Unterstützung der Ikea-Stiftung konnte der Seitenflügel ein begehbares Gründach erhalten und Hof und Durchfahrt mit Naturstein gepflastert werden.

Der gesamte Gebäudekomplex, einschließlich der Wohnungen auf der angrenzenden Nachbarfläche, wird mit einer Wärmepumpe und Geothermie beheizt. Auf dem Grundstück Wenzelsgasse 7-8 wurden insgesamt 5 Bohrungen bis in eine Tiefe von ca. 190m ausgeführt. Ein gemeinsamer Technikraum sowie Aufzug, Stahltreppe und ein Behinderten-WC sind Gebäudeteile, die im Zusammenhang mit der Sanierung der Wenzelsgasse 9 von 2011 bis 2013 errichtet wurden.

Wohnprojekt der Lebenshilfe Wenzelsgasse 7-8

Das Wohnprojekt der Lebenshilfe war von Anfang an, integrativer Bestandteil des Architektur- und Umwelthauses, mit dessen Idee und Umsetzung sich Naumburg an der IBA 2010 beteiligt hat. Der Bildungscharakter des Gesamtprojektes findet in vielerlei Hinsicht in diesem Wohnprojekt seine bauliche Entsprechung. Im Dezember 2011 hat die Stadt Naumburg u.a. für dieses beispielgebende Projekt den 2. Preis im vom Land Sachsen-Anhalt ausgelobten Wettbewerb „Auf dem Weg zur Barrierefreien Kommune“ erhalten. Das Wohnprojekt setzt sich aus 2 Baukörpern zusammen, die untereinander und mit dem Architektur- und Umwelthaus durch Treppen, Übergänge und dem Dachgarten auf dem Südanbau der Wenzelsgasse 9 verbunden sind.

Das Vorderwohnhaus schließt die vorhandene Baulücke mit einem 2 m-Abstand zum AUH und besteht aus zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss mit hohem Drempel, um die vorh. Traufhöhen der Straße aufzunehmen. Das Hinterhaus wird zweigeschossig errichtet und in Größe und Form dem rückwärtigen neuen Werkstattgebäude des Architektur- und Umwelthauses angepasst. Im Hinterhaus sind vier Singlewohnungen à 31-33 m² geplant, die im Erdgeschoss barrierefrei über den Hof erschlossen sind. Das Obergeschoss kann man über einen Laubengang erreichen. Bei Bedarf sind auch diese beiden Wohnungen mit einer nachträglich einbaubaren Hubbühne am Übergang zum Dachgarten für Rollstuhlfahrer geeignet. Zusätzlich besitzt jede Wohnung einen privaten Außenraum in Form einer Terrasse, eines Balkons oder einer Dachterrasse.

Als allgemeine Erschließung fungiert eine Außentreppe aus Stahl, die gleichzeitig auch die beiden Hinterhäuser mit den Vorderhäusern über den Dachgarten verbindet. Im Erdgeschoss befindet sich unter den verschiedenen Treppenläufen ein 2 m breiter Durchgang durch den Block, der die Wenzelsgasse über den geplanten Parkplatz mit der Neustraße verbinden wird.